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23. Juli 2024

Beirat diskutiert mit Ressorts
und lokalen sowie
internationalen Expert:innen
über Krisenleitlinien

In Zeiten zunehmender globaler Krisen haben das Auswärtige Amt, der Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung sowie die Willy Brandt School of Public Policy als Teil des gegenwärtigen Konsultationsprozesses mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft zur Diskussion über die Weiterentwicklung von Deutschlands wichtigem außenpolitischen Strategiepapier, den Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (Krisenleitlinien), an die Universität Erfurt eingeladen.

Mit dem Fokus auf die Verbindung von Innen- und Außenpolitik standen dazu am 23. Juli in Erfurt verschiedene Themen der internationalen Konfliktbearbeitung auf der Tagesordnung, u.a. die Rolle ziviler Krisenprävention in Angesicht der „Zeitenwende“, die Wirkungen ziviler Krisenprävention auf kommunaler und lokaler Ebene in Deutschland sowie die allgemeine Rolle zivilgesellschaftlicher Akteur:innen in der Konfliktbearbeitung.

Mehrere Diskussionsrunden mit verschiedenen Themenschwerpunkten und renommierten Gästen u.a. aus der Forschung, den Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungsministerien und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Lokalpolitiker:innen und Praktiker:innen aus der Arbeit mit Geflüchteten ermöglichten einen Austausch über die verschiedenen Perspektiven auf Deutschlands internationales Friedens- und Krisenengagement sowie dessen Zukunft.

Im Fokus stand dabei u.a., das Potenzial der Willy Brandt School of Public Policy (WBS) mit ihrer internationalen Ausrichtung und vielfältigen Expertisen aus dem „Globalen Süden“ als Dialogplattform zu nutzen und so noch mehr Stimmen in den Weiterentwicklungsprozess einfließen zu lassen. Thüringen bzw. Erfurt und die Universität wurden dabei bewusst als Austragungsort mit Strahlkraft, zur Einbindung mittel(ost)deutscher Akteure und aufgrund des Zeitpunktes der anstehenden Landtagswahlen gewählt.

In der ersten Diskussionsrunde mit dem Titel „South-North Learning – How post-colonial approaches can inform international crisis prevention“ kamen die Speaker:innen aus der WBS zusammen und debattierten über die Rolle anhaltender kolonialer Nachwirkungen im internationalen (Macht)Gefüge. Weiter ging es um die Möglichkeiten, dieses Ungleichgewicht u.a. in der unterschiedlichen Deutungshoheit zwischen Globalem Norden und Globalem Süden nachhaltig durch postkoloniale Ansätze anzugleichen. Eine große Relevanz kam dabei der Kritik am Verständnis des liberalen Friedens, dessen Theorie das Lokale überwiegend ausklammert. Deutlich wurde die Forderung danach, insbesondere epistemischen Ungleichheiten mit Austausch, Offenheit und individuellen, lokal orientierten Ansätzen entgegenzuwirken. Es diskutierten Dr. Alejandra Ortiz-Ayala, Dr. Jalale Birru und Dr. Siddharth Tripathi unter der Moderation von Dr. Jasmin Lorch vom German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Unter dem Titel „Peacebuilding – between fragility, geostrategy and the German ‚Zeitenwende‘“ stand im zweiten Panel die Rolle von Präventionsansätzen angesichts u.a. hybriden Bedrohungen und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im Mittelpunkt. Insbesondere die Perspektive des Globalen Südens auf die „Zeitenwende“ sowie ihre Implikationen, u.a. zunehmende Militarisierung sowie globale Risiken hinsichtlich z.B. der Getreideversorgung, wurde hierbei diskutiert. So wurde untersucht, wie ein integriertes Friedensengagement aussehen müsste. Als besonders wichtig wurde dabei auch die Transparenz über deutsche Interessen im Rahmen eines friedenspolitischen Engagements im Ausland hervorgehoben. In diesem Sinne sollten dauerhaftes und glaubwürdiges Engagement das Ziel sein, wobei sich Deutschland gleichermaßen „bold and humble“, also mutig und bescheiden sowie ehrlich verhalten sollte. Es diskutierten Dr. Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Dr. Steve Wakhu von der Universität Leipzig und der Universität Embu, Ani Tovmasyan vom Peacebuilding Practitioner und Prof. Dr. Solveig Richter von der Universität Leipzig. Die Moderation übernahm Beiratsmitglied Bodo von Borries.

Die dritte Diskussion widmete sich dem Thema der „Wirkung ziviler Krisenprävention auf kommunaler und zivilgesellschaftlicher Ebene (u.a. Flucht und Migration)“. Der Co-Vorsitzende des Beirats LKD a.D. Dipl. Krim. Lars Wagner moderierte und diskutierte mit Erfurts Bürgermeisterin Anke Hofmann-Domke sowie Expert:innen aus der kommunalen Sphäre, Dr. Ulrike Gatzemeier vom VFB Salzwedel und Reinhard Hotop vom evangelischen Migrationsdienst Südthüringen. Im Mittelpunkt stand die Bedeutung ziviler Krisenprävention und Friedensförderung im Ausland für die deutsche regionale Situation und dortige Entwicklungen, Herausforderungen und Trends hinsichtlich Flucht und Migration. Dabei wurde die herausfordernde Situation auf kommunaler Ebene in diesem Themenfeld durch die Panelist:innen anhand praktischer Beispiele eindringlich verdeutlicht. Nach einer Lagebeschreibung aus Sicht der kommunalen Ebene wurden konkrete Vorschläge hinsichtlich der Weiterentwicklung der Leitlinien und entsprechende Erwartungen adressiert.

Das letzte Panel, das als offene Fishbowl-Diskussion zwischen der Co-Vorsitzenden des Beirats Dr. Kira Vinke, den Ressortvertretern und den anwesenden Expert:innen stattfand, setzte sich mit der „Rolle zivilgesellschaftlicher Akteur:innen in der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“ auseinander. Zentrale Themen waren u.a. die unterschiedlichen Rollenverständnisse und mögliche Rollenkonflikte um Mittel sowie Prioritäten, welche zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure im internationalen Friedensengagement mitbringen. Ziel sei es diesbezüglich, mehr Dialog und auch Entbürokratisierung zu ermöglichen wie auch die innere und äußere Dimension von Friedensengagement als enger verschränkt zu verstehen.

Auch die Debatte um den (Rück)Gewinn des öffentlichen Raums ziviler Akteure in Anbetracht zunehmender Polarisierung und auch Radikalisierung war Thema, da jene lokalen Herausforderungen wiederum Einfluss auf das zivile Krisenengagement ausüben. Weiter wurde die besondere Erforderlichkeit, Projekte der zivilen Krisenprävention zukünftig vollständig wissenschaftlich zu evaluieren, verdeutlicht (s. Stellungnahme zur Umsetzung der Leitlinien). Für die Ressorts diskutierten Andreas von Brandt, Auswärtiges Amt (AA), Johannes Dopffel, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Stephan Naundorf, Bundesministerium der Verteidigung (BMVG).

Der Beirat begleitet die Umsetzung sowie den gegenwärtigen Weiterentwicklungsprozess der 2017 von der Bundesregierung beschlossenen Krisenleitlinien. Diese Leitlinien haben die Arbeit der Bundesregierung im Bereich ziviler Krisenprävention und Friedensförderung strategisch auf eine neue Ebene gehoben und sind Ausdruck ihres friedenspolitischen Leitbildes. Seit ihrer Verabschiedung hat sich die Weltlage jedoch stark verändert. Der gegenwärtige Weiterentwicklungsprozess und die dafür stattfindenden Konsultationen diverser Stakeholder aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie Parlament tragen dieser Entwicklung Rechnung.

Arbeitsvorhaben